SOZIALE REVOLUTION UND SEHNSUCHT
NACH SELBSTBESTIMMTEM LEBEN
EINE VORLÄUFIGE REFLEXION
ÜBER GESCHEITERTE EMANZIPATIONS-VERSUCHE UND NEUE PERSPEKTIVEN
Es ist wohl wahr, man kann auf
verschiedene Weisen von der Sehnsucht nach Befreiung von unwürdigen
und unvernünftigen Zuständen sprechen.
Kürzlich sprach eine von
den vielfältig denkbaren Wegen zum Kommunismus. Und das, was die Welt
in dieser Beziehung bisher sah, erste tastende Versuche waren.
Sie erntete in den herrschenden
Medien und von Seiten im Rampenlicht stehender konservativer Politiker,
aber auch mancher ihrer Kollegen in der SPD und bei den Grünen heftige
Vorwürfe. Auch Opfer des Stalinismus und die, welche ihnen nahe stehen,
reagierten empört.
Was die Sozialdemokraten unter
den Kritikern angeht – jedenfalls, soweit sie nicht zu den Verfechtern
eines Neoliberalismus gehören, der jedes Anknüpfen an sozialdemokratische
Traditionen vermissen lässt -
so verwundert die Reaktion ein
wenig. Berufen sich nicht auch Sozialdemokraten gern auf Rosa Luxemburg,
eine Kommunistin, und führen ihren Satz, Freiheit sei vor allem die
Freiheit der Anderen, gern im Mund?
Es ist aber andererseits unleugbar,
dass der Kommunismus – und zwar nicht erst seit 1989, sondern eher schon
seit mindestens Ende der 40er Jahre – vor allem in den Ländern
des „Westens“, einen äußerst schlechten Ruf hat.
Um 1948 kehrten viele ehemalige
Kommunisten sowie als Kommunisten verdächtigte und häufig als
fellow travelers bezeichnete Intellektuelle im „Westen“ dem Kommunismus
oder dem, was sie dafür hielten, den Rücken. Das war nicht nur
eine Folge des McCarthyismus in den USA und des damit ausgeübten sozialpsychologisch
äußerst spürbaren Drucks. Die Notwendigkeit, gegen Hitler
zusammenzustehen und Russland einzubeziehen, bestand nicht mehr. Der einsetzende
„Kalte Krieg“ führte zu Verhärtungen auf beiden Seiten. Eine
Anzahl von Linken, die das „russische Experiment“ im „Westen“ bisher verteidigt
hatten, öffneten die Augen vor dem bislang Verdrängten, den ins
Bewusstsein eindringenden Indizien des stalinistischen Terrors, den
auch die herrschenden Medien in den westlichen Ländern jetzt zu dokumentieren
oder besser, ideologisch auszuschlachten suchten.. Gleichzeitig führte
im Machtbereich der Sowjetunion – wie unter anderen die Slansky-Prozesse
(in der DDR dann das Vorgehen gegen Ernst Bloch, Harich und andere, in
Polen die antisemitische Welle) zeigten – die sich verschärfende Konfrontation
zwischen den Machtblöcken zu einer erneuten Welle der angeblich die
konterrevolutionären Elemente treffenden Repression. Dies verlieh
zweifellos dem in den Medien des „Westens“ kursierenden Hetero-Image des
Stalinismus oder „kommunistischen“ Terrors große Evidenz. Die Totalitarismus-Hypothese,
von Hannah Arendt, Popper und anderen verbreitet, setzte Faschismus und
Stalinismus (und letztlich Faschismus und Kommunismus) gleich.
War die Zeit kurz nach dem Zweiten
Weltkrieg für eine kleine Zahl weit links stehender Menschen im „Westen“
ein Moment des Wachwerdens kritischer Impulse vis-a-vis der Sowjetunion,
so hatten Andere schon früher reagiert. Und zwar hatten, darin gleichsam
als Erben der von reaktionären Handlangern der Scheidemänner
und Noskes in der deutschen Novemberrevolution ermordeten Rosa Luxemburg
erscheinend, vor allem Linkssozialisten und libertäre Anarchisten
wie Pannekoek – sei es seit Anfang der 20er Jahre, sei es seit den Moskauer
Prozessen – die erste Vorhut der späteren Stalinismus-kritischen
Entwicklung gebildet. Vor allem französische, in die Sowjetunion eingeladene
und enttäuscht zurückkehrende Schriftsteller, auch surrealistische
Dichter, schlossen sich dieser Tendenz an.
Ein letzter Schub, in dieser
Hinsicht, das heißt im Sinne einer Abkehr von einer wirklichen oder
vermeintlichen Illusion und einer bedeutenden Revision einer früheren
politischen Position, erfolgte ziemlich genau zwanzig Jahre vor dem Zusammenbruch
des Ostblocks. Es war dies eine Folge der Intervention von Truppen des
Warschauer Pakts in der Tschechoslowakei im Sommer1968.
Für die Neue Linke im „Westen“
allerdings hatten alle diese Ereignisse, die enttäuschte Unterstützer
der Sowjetunion tief traf und der Gefahr aussetzte, entweder typische Renegaten,
verbitterte Pessimisten, Misanthropen, oder scharfzüngige, wie
„freischwebend“ und politisch fast heimatlos sich vorkommende Essayisten
zu werden, kaum eine tiefgehende Auswirkung, nämlich tief im Sinne
einer tiefen Desillusionierung. Diese „Neue Linke“ war von Anfang an sowohl
Auswirkung der Desillusionierungserfahrung gewisser „alter“, müde
gewordener Linker, für die bisherige Ideale fragwürdig geworden
waren, und gleichzeitig Antwort auf die Desillusionierung der Enttäuschten
und auf das, was sie enttäuschte.
Die „Neue Linke“ war in gewisser
Hinsicht eine Kopfgeburt; sie war theorielastig, denn sie war die Antwort
von westlichen Intellektuellen, denen in der Regel nahezu jede organische
Verbindung mit der Arbeiterklasse fehlte, auf das, was sie als die Schwächen
des „realen Sozialismus“, wenn nicht als Verbrechen des Stalinismus, zu
erkennen und kritisieren zu müssen glaubten. Zugleich war sie eine
kritische Antwort auf die Verbrechen des bürgerlich und kapitalistisch
geprägten Weltsystems, auf die Kolonialkriege in Algerien und den
portugiesischen Kolonien, auf den skandalösen Krieg, den die USA und
ihre engsten Verbündeten gegen das vietnamesische Volk führten,
auf die Zuflucht, die der ach so „demokratische Westen“ unter tatkräftiger
Mitwirkung seiner Diplomaten und Geheimdienste in den 60er und 70er Jahren
des 20. Jahrhunderts in Indonesien, Griechenland, Chile, Brasilien, Uruguay,
Argentinien und der Türkei zu den terroristischen Institutionen und
Methoden mörderischer Diktaturen nahm. (In Franco-Spanien, im salazaristischen
Portugal, in Iran und vielen anderen Ländern bestand eine Komplizenschaft
mit Diktaturen ohnehin.)
Wenn die Bezugs-„Gruppe“ im Sinne
einer sozialen Basis der „Neuen Linken“ im „Westen“ nicht die Arbeiterklasse
war, so hatte sie – außer in Teilen der Intelligenz – nur eine nennenswerte
Verankerung: in den Reihen der fortschrittlichen Studierenden.
Es war die Praxisferne der „Neuen
Linken“, welche diese an den Rändern erodieren ließ. Maoistische,
anarcho-maoistische, trotzkistische und anarcho-spontaneistische Studentengruppen
versuchten, die Theorie praktisch werden zu lassen, verteilten Flugblätter
und Zeitungen vor Fabriktoren, suchten Streiks der Arbeiterinnen und Arbeiter
zu unterstützen; manche gingen selbst in die Fabrik und bildeten dort
Zellen, die agitierten. Aktivisten aus Betriebsgruppen gelang es in Westdeutschland
in einigen Konzernen, namentlich der Automobilbranche, auf oppositionellen
innergewerkschaftlichen Listen zu kandidieren und als engagierte Sprecher
der Arbeiter ihrer Werkabteilungen das aufzubrechen oder ins Wanken zu
bringen, was als oft komplizenhaftes Hand-in-Hand-Arbeiten gewisser Betriebsräte
mit der Geschäftsleitung den Kollegen längst ein Dorn im Auge
war. Diese oppositionellen Betriebsräte verbreiteten zwar nicht, wie
sie anfänglich hoffen mochten, ein „revolutionäres Bewusstsein“,
aber sie leisteten vielfach eine gute, auch das Bewusstsein über innerkapitalistische
Widersprüche schärfende Arbeit. Die Ungeduldigsten und
Entschiedensten, der ins Anarcho-Lager Abdriftenden – in der Mehrheit
wohl durch die Schule neu-linker Theorie gegangenen „Neo-Kommunisten“ in
einigen westlichen Ländern wie, neben den USA, vor allem Deutschland,
Italien, und Frankreich – gingen über zu dem, was sie als revolutionären
Kampf verstanden. Die Versuche, die Stadtguerilla-Strategie aus Lateinamerika
(wo sie übrigens auch an der Repression scheiterte) in die USA und
nach Westeuropa zu übertragen, zeugte allerdings – wie vielen Alt-
und Neu-Linken damals schon klar war – von einer völligen Fehleinschätzung
der historischen Situation, der Kräfteverhältnisse, und damit
auch der Revolutions-Bereitschaft einer sich in den 60er und 70er Jahren
(mindestens in Teilen) noch als relativ saturiert sehenden, das heißt,
im Weltmaßstab damals vergleichsweise gut dastehenden Arbeiterklasse.
Die konventionell in den dominanten
Medien als „orthodox“ bezeichneten Kommunistischen Parteien in Westeuropa,
vor allem in Italien und Frankreich, hatten ein weitaus realistischeres
Bewusstsein von der „Arbeiterklasse“ und ihrer Revolutionsbereitschaft
als die praxisorientierten Gruppen am Rande der „Neuen Linken“. Man hat
ihnen seitens der „Neuen Linken“ oft vorgeworfen, daß sie – vor allem
die PCF – die revolutionäre Chance, die im Mai 1968 bestanden habe,
verraten hätten. Man kann darüber streiten, in welchem Ausmaß
diese Chance real bestand. Jedenfalls waren diese Parteien, im Hinblick
auf ihre tatsächliche gesellschaftspolitische Rolle in Italien und
Frankreich zwischen 1945 und ca. 1970 radikaldemokratische und zugleich
reformistische Kräfte.
In Westdeutschland, Österreich,
Holland nahm der – aus Gründen des Kalten Krieges und weil die Repräsentanten
der Kapitalinteressen die Notwendigkeit erkannten, neben einem äußeren
Feind nicht auch noch einen inneren Feind, eine kämpferische Arbeiterklasse,
zu haben – zwischen 1950 und 1990 unvermeidlich gewordene Klassenkompromiss,
den auch die Sozialdemokratie dieser Länder wünschte, eine korporatistische
Form an: formalisierte, legalisierte, institutionalisierte Konflikt- und
Interessen-Vermittlungsformen und Inszenierungen von angeblicher Mitbestimmung
der Arbeiter im Betrieb wurden gefunden, von denen nicht nur das Kapital
und die institutionellen Repräsentanten der Arbeiterklasse in SPD
bzw. SPÖ sowie, in den Niederlanden, der Partei der Arbeit und natürlich
in den sozialdemokratisch dominierten Einheitsgewerkschaften profitierten.
Sondern auch für Lohn arbeitende Menschen, vor allem männliche
Facharbeiter und diese vor allem in florierenden Großbetrieben.
Während der Marshall-Plan
(eine Konsequenz der Notwendigkeit des westlichen „Weltsystems“, entlang
dem „Eisernen Vorhang“ glänzende Schaufenster in Westdeutschland,
Süd-Korea; Taiwan und Japan zu etablieren) und dann die gestärkte
exportwirtschaftliche Rolle zumal Westdeutschlands die Möglichkeiten
der „sozialpartnerschaftlichen“ Strategie vergrößerte, nicht
nur eine diskursive, also ideologische Wirkung zu entfalten, sondern auch
tatsächlich den Lebensstandard der Arbeiterklasse nach US-amerikanischem
Vorbild zu erhöhen (ohne allerdings die Entfremdung der Arbeits- und
Lebenssituation und die Gesundheitsgefahren im Betrieb aufheben zu können),
garantierten die rechtlichen Rahmenbedingungen bis Ende der 60er/Anfang
der 70er Jahre die weitgehende Pazifierung (oder pacification) der ausgebeuteten
und politisch stillgestellten Klasse.
Für Frankreich und Italien
bedeutete die Rolle der KPs in der résistance (bzw, resistenza)
ein politisches Prestige, das sie als demokratische Faktoren in ihren Gesellschaften
legitimierte. Die bürgerlichen Kräfte haben allerdings (wie in
Spanien nach dem Sturz Francos) schnell verstanden, die Kommunistischen
Parteien von der politischen Teilhabe an Regierungsverantwortung auszuschließen.
Frankreich und Italien hatten
nach dem Krieg nicht, wie vor allem Westdeutschland, von großzügigen
Aufbauhilfen des Marshall-Plans profitiert; die Rekonstruktion war schwieriger;
das, was die bürgerlichen Kräfte unter „Verteilungsspielräumen“
verstehen, war geringer. Und die Nicht-Integration, also der schnell kommende
de-facto Ausschluß aus Regierungsverantwortung und aus der Menge
der „koalitionsfähigen“ Parteien, von der die KPs (und letztlich
auch die diesen Parteien nahestehenden Gewerkschaften) betroffen
waren, garantierte in der Folge, ganz im Sinne einer Gegenfinalität
(contre-finalité), dass die Klassenkämpfe hier härter
waren. Und das Bewusstsein über gesamtgesellschaftliche Antagonismen
in den benachteiligten sozialen Klassen (mithin in der Arbeiterklasse,
die Industriearbeiterschaft, kleine Angestellte und Beamte umfasst, sowie
in der marginalisierten, um das Existenzminimum ringenden petite bourgeoisie
der kleinen Ladenbesitzer, Kneipiers, Zeitungskiosk-Pächter, aber
auch bei den Kleinbauern und Landarbeitern) wacher. Es ist dies sowohl
die Folge der gemachten gesellschaftlichen Erfahrungen (also ein Reflex
des gelebten Lebens und der Reflexion darüber) wie ein Verdienst der
nach dem Krieg in dieser Hinsicht entscheidenden gesellschaftskritischen
Kräfte in Italien und Frankreich, der Kommunistischen Parteien und
der ihnen nahestehenden Intellektuellen, vor allem aber der in großen
Auflagen erscheinenden linken Presse und der linken Verlage, der engagierten
Theater, usw.
Die radikaldemokratische und
reformistische Rolle von PCF und PCI stand allerdings im Widerspruch zu
einer partiell immer noch revolutionär klingenden Rhetorik. Und sie
stand im Widerspruch zur offiziösen Loyalität gegenüber
der UdSSR, der DDR, usw. sowie anfänglich auch gegenüber China,
der übrigens lange Zeit in Frankreich, Italien, auch in Griechenland,
Portugal und Spanien, eine spontane, manche mögen sagen, nostalgische
emotionale Nähe vieler sich als klassenbewusst verstehender Arbeiter
zu einer idealisierten Sowjetunion entsprach.
Eine radikaldemokratische Praxis,
wie sie in diesen laizistischen Nachkriegs-Demokratien, die sich auf die
résistance und die „Selbstbefreiung“ vom Faschismus als ihre „Gründungsurkunde“
beriefen, bei jeder tatsächlichen und konkreten Parteinahme für
diejenigen, welche Gramsci in den Gefängnisheften chiffriert als die
„subalternen Klassen“ bezeichnet, unvermeidlich war, passte allerdings
schlecht zur weitgehend fehlenden innerparteilichen Demokratie. Was diesen
Parteien – neben ihrem Bekenntnis zur Solidarität mit den „realsozialistischen“
Ländern – den Vorwurf einbrachte, stalinistisch zu sein. Ein
absurder Vorwurf, insofern in diesen Ländern in der Phase der
résistance bzw. resistenza nur bewusstes, freigewähltes Engagement
der kämpfenden Genossinnen und Genossen wirksam werden konnte (man
kann einen Genossen, unter der Herrschaft des Faschismus, nicht stalinistisch
durch Terror zum Kampf „zwingen“) und insofern in der Realität der
bürgerlichen Demokratie jeder Versuch, Genossen einem stalinistischen
Terror zu unterwerfen, schon daran gescheitert wäre, das dem bedrohten
Genossen freistand zu sagen: Leckt mich am Arsch, ich „kündige“. Stalinismus,
das ist die Lehre der Geschichte, lässt sich nur unter den Bedingungen
der monolithischen und monopolistischen Inbesitznahme der Macht im Staat
durch eine Partei oder Clique innerhalb einer Partei durchsetzen. Und die
in der Tat weitgehend fehlende innerparteiliche Demokratie in PCI und PCF
nach 1945 war, so bedauerlich und falsch sie war, nicht gravierender als
das, was sich in bürgerlichen „demokratischen Parteien“ abspielte
und bis heute abspielt, wo auch Strippen gezogen werden, Parteifürsten
konkurrieren, in Hinterzimmern das Entscheidende beschlossen wird, während
nicht die Basis „die Oben“ de facto auswählt, sondern „die Oben“ die,
die sie brauchen, kooptieren. Und das heißt, dass sie aus dem Nachwuchs
die Passenden, Willigen, Loyalen, kurz „Parteisoldaten“ auswählen
und für Posten vorschlagen. Die Struktur der KPs in Frankreich und
Italien unterschied sich von diesen intern wenig demokratischen bürgerlichen
Parteien im wesentlichen dadurch, dass sie auch formal die Struktur des
demokratischen Zentralismus wählten, welche die anderen Parteien lediglich
informell praktizierten und praktizieren. Demokratischer Zentralismus aber
hieß und heißt in der Praxis leider: Von oben nach unten wird
geschaltet und gewaltet; das Feedback von unten braucht man oben, um „die
unten“ auf Linie zu bringen („das verstehst du noch nicht richtig, Genosse“
– oder wie man heute in den bürgerlichen Parteien sagt, „es ist ein
Vermittlungsproblem...“).
Das Dilemma der sich kommunistisch
nennenden reformistischen Linken in Italien beginnt nach 1968 oder 1970,
als sie sich bemüht, ihre damals erfolgreiche positive Reformstrategie
auf lokaler Ebene (Bologna, Genua, Venedig, usw.) und regionaler Ebene
durch Beteiligung an der Staatsmacht und Stärkung ihres Einflusses
auf die nationale Gesetzgebung abzusichern. Das Bemühen um den „historischen
Kompromiss“, das Zugehen auf eventuelle Bündnispartner (gab es linkskatholische
Kräfte in der DC, müssen wir fragen, und wie groß, wenn
es sie gab, war ihr Gewicht?) entfremdete die linke und zum Teil neu-linke
kritische studierende Jugend, innerhalb und außerhalb der Partei.
Die Partei wurde autoritärer gegenüber dieser Jugend und den
mit ihnen bald verbündeten, jungen kritischen Industriearbeiter, die
in der Zeit um und nach ’68 allesamt auf eine Radikalisierung der Partei
und ihres Widerstands gegen die gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse
drängten. Während die Parteistrategen in jedem radikalen „image“
bereits eine Verschlechterung der Chancen sehen mussten, zu einem als in
der jetzigen Etappe notwendig geglaubten „compromesso storico“ zu kommen.
In Frankreich gelang der PCF
der Schritt zur formalen und sektoriell (in den ihr zustehenden Ministerien)
auch realen Beteiligung an der politischen Macht im Staat während
der ersten Präsidentschaft Mitterrands, als tatsächlich – auch
dank der funktionierenden Einheit des Linksbündnisses aus PS und PCF
– reformistische Erfolge zugunsten der arbeitenden Menschen erzielt wurden,
in einem Umfang, wie seither nicht mehr. Doch das Kapital, oder besser
die Praxis der Kapitalisten, zeigte schnell die Grenzen eines solchen Reformismus
auf. Nicht nur Arbeiter können streiken; das Kapital kann „sich zurückziehen“,
es kann Investitionen im Inland „zurückhalten“, es kann stattdessen
vermehrt nach Kapitalanlage-Möglichkeiten im Ausland suchen: Es kann
eine fortschrittliche reformistische Regierung unter Druck setzen, „erpressen“:
es kann versuchen, sie in die Knie zu zwingen.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts,
als die Sozialdemokratie große Wahlerfolge bei Reichstagswahlen zu
verzeichnen hatte, als die „Fraktion,“ also die Gruppe der im Reichstag
sitzenden sozialdemokratischen Abgeordneten jede Äußerung revolutionärer,
d.h. das gesellschaftliche Modell des Kapitalismus offen infragestellender
Absichten als Gefährdung ansah, weil es die Staatsmacht dazu bewegen
konnte, eine bei jeder Wahl mehr Stimmen als zuvor gewinnende Partei zu
verbieten, gab es eine interessante innerparteiliche Debatte, in der die
intelligenteste Sozialdemokraten, namentlich Karl Kautsky und Friedrich
Engels, für eine Dialektik von Reform und Revolution plädierten.
Wobei, für Kautsky mindestens, Revolution Überwindung des Kapitalverhältnisses,
und damit des Privateigentums an den Produktionsmitteln, mithin deren Sozialisierung
oder gesellschaftliche demokratische Kontrolle bedeutete – und zwar, wenn
möglich, auf friedlichem demokratischen Wege. Immer aber: als Ausdruck
des politischen Willens der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung
und wenigstens insofern, wenn schon die Spielregeln des damals herrschenden
Rechts und der Reichsverfassung nicht einzuhalten waren, zwar nicht unbedingt
formal, aber im Sinne einer materiellen Logik demokratisch.
Die PCI hat in Italien, verbal
sich stärker an Lenin und vor allem an Gramsci als an Kautsky orientierend,
in den 70er Jahren den Gedanken an eine Dialektik von Reform und Revolution
aufgegriffen.
„Revolutionär“ an der reformistischen
Politik in Bologna war, dass es dank der errungenen politischen Macht in
der Stadt und in der Region möglich wurde, eine Stadtsanierung durchzuführen,
die damals nicht zur Gentrifizierung und somit zur Verdrängung der
ursprünglichen Mieter führte. Die kapitalistische „Logik“ des
Marktes wurde politisch ausgehebelt, außer Kraft gesetzt. Man tat,
de facto und kompetent, das, was heute alternative Linke verbal fordern:
reclaim the city. Aber, wie gesagt, man ahnte wohl schon, dass nationale
Gesetze zur Absicherung der Erfolge geändert werden mussten, was nicht
gelang. Denn vor allem das US-amerikanische Interesse an Heraushaltung
der PCI aus der Regierungsverantwortung war zu groß. Letztlich stellt
sich, im Nachhinein, und stellte sich damals schon einigen Linken außerhalb
wie innerhalb der PCI und in geringerem Umfang der PCF die Frage, ob nicht
ein einstweiliges Fernbleiben aus der Regierungsverantwortung und eine
Strategie der Unterstützung und Stärkung der außerparlamentarischen
Arbeiterkämpfe das Bewusstsein für gesellschaftliche Ungerechtigkeit
und mangelnde demokratische Beteiligung des Volks geschärft und letztlich
auch die Möglichkeit eines Wahlsiegs oder einer Übernahme der
politischen Macht durch die auf der Straße demonstrierende Bevölkerungsmehrheit
in greifbare Nähe gerückt hätte. Ob also statt des „Maßhaltens“
und der Suche nach realen Bundesgenossen, die es nicht gab, eine Politik
der entschiedenen Unterstützung sozialer Kämpfe und sozialer
Bewegungen die bessere Alternative gewesen wäre, ohne darum darauf
zu verzichten, Spielräume auf dem parlamentarischen Parkett zu nutzen.
Die Entscheidung für eine
Linie des vermeintlich „verantwortlichen“, sogenannte Sachzwänge kapitalistischer
Machart respektierenden politischen Handelns, auf die sich Mitterrand mit
Beginn seiner zweiten Präsidentschaft einließ, wurde in Frankreich
zur die Linke – sowohl PS wie PCF – über kurz oder lang demontierenden
Politik. Vorgemacht hatte das die deutsche Sozialdemokratie bereits im
Kaiserreich, und hier am besten zwischen 1910 und 1918. Als „Verantwortung“
für den Staat und damit das behauptete „Ganze“ oder „Gemeinwohl“ übernehmen,
hieß, die breite Bevölkerungsmehrheit und ihr humanes Interesse
an Frieden, an Verbesserung der Lebensverhältnisse, an mehr Gerechtigkeit
und mehr tatsächlicher Partizipation an gesellschaftlich bedeutungsvollen
Entscheidungen zu verraten. Die PCF hat sich während der zweiten Präsidentschaft
Mitterrands nicht entschieden gegen die falsche, „wirtschaftsfreundliche“
Politik der Parti socialiste gewehrt und auch nicht versucht, Gegenwehr
von unten – wo sie versucht wurde – energisch zu unterstützen.
Dasselbe gilt, im wesentlichen,
für die PCI. Ihr Ringen um Anerkennung durch die bürgerlichen
Parteien, um „Respektabilität“ machte sie zahm und im falschen Sinne
konstruktiv, also „staatstragend“. In den 80er Jahren schrieb, nicht zu
Unrecht, der Filmmacher Jean-Marie Straub, aus Italien: „Die PCI hat inzwischen
alles verraten – außer: die Bourgeoisie.“ Daran war, aus einem gewissem
Blickwinkel betrachtet, viel wahres.
Die Entscheidung seither für
die Demokratisierung der eigenen Strukturen ist jedenfalls, in dem
Maße, in dem sie versucht wurde (aber wurde das? – oder wurde nur
eine Version der bürgerlichen Parteien-Normalität hergestellt,
unter Aufgabe von Floskeln wie „demokratischer Zentralismus“ und „ZK“ oder
„Politbüro“?) eine im Prinzip, nämlich insofern sie die Richtung
hin zu einer wirklichen innerparteilichen Entscheidungsmacht der Basis
angibt, richtige und somit wichtig. Der Pluralismus innerhalb der Linken
und die freie, offene Debatte ist wichtig. Die Aufgabe des alten Namens
und seine Ersetzung durch den einen, dann den anderen Begriff (heute: Linksdemokraten)
schien wohl vielen nachvollziehbar und plausibel. Den ganzen „Kalten Krieg“
hindurch war „Kommunismus“ ein mit Stalinismus gleichgesetzter Kampfbegriff
der Rechten. Die ideologische Offensive, die in den bürgerlichen Medien
mit dem Kollaps des „Ostblocks“ einherging, hatte auch Auswirkungen innerhalb
der Arbeiterklasse, also auch unter den eigenen Wählern. Hätte
man zwischen 1950 und 1990 weniger apologetisch sich um formale Loyalität
mit dem autoritären, post-stalinistischen Realsoz unter Chruschtschow,
Breschnew usw. bemüht, sondern offen und offensiv für eine befreite,
nicht-kapitalistische, antiautoritäre Gesellschaft der Freien und
Gleichen überall in der Welt argumentiert, ohne darum – bei aller
Kritik an den negativen Seiten der UdSSR und der anderen COMECON-Länder
– die Ansätze von Fortschrittlichem in diesem Realsoz aus dem
Blick zu verlieren, dann hätte man 1989/90 selbstbewusst sagen können:
während ihr Bürgerlichen mit dem Ostblock Handel triebt und dabei
verdientet und diplomatische Höflichkeiten austauschtet, haben wir
die Verhältnisse dort kritisch betrachtet und nichts verschleiert.
Niemand unter den Wählern und Aktivisten der PCI hätte Illusionen
begraben müssen. Und man hätte am eigenen Projekt eines italienischen
Wegs zu einer freieren, solidarischen Gesellschaft festhalten können.
Tatsächlich ist der Weg der PCI ab 1943, 44, 45 der vom bewaffneten
Kampf gegen den Faschismus über den radikaldemokratisch militanten
Reformismus zu einem zahmen, „verantwortungsvollen“ Reformismus und zur
Koalition mit bürgerlichen Liberalen wie Prodi gewesen, wodurch man
sich auf einen Kurs der austerity, des Sozialabbaus und letzlich der neoliberalen
„Reformen“ begab, der die Linke nur weiter diskreditieren kann, so wie
er in Frankreich die PS, in Deutschland – spätestens seit Schröders
Hartz IV „Reformen“ – die SPD bei großen Teilen ihrer (sie in Scharen
verlassenden) Wähler diskreditierte.
Es ist fraglich, ob es richtig
war, dass die demokratische Linke ihre auf Emanzipation der Menschen, also
Freiheit und damit Selbst-Befreiung gerichteten Vorstellungen von Sozialismus
und Kommunismus (soweit sie schon oder wieder Gestalt angenommen hatten,
also – in Abwendung von allem Autoritären – zu Marxschen Positionen
zurückkehrten) diskursiv nicht bekräftigte, sondern nach 1989
in Italien, aber auch z.B. in Deutschland und Spanien, in einen Diskurs
auswich, der den Demokratiebegriff in den Vordergrund rückt.
Für die politischen Gegner
in Italien wie auch für viele Kommentatoren im Ausland sind die italienischen
Linksdemokraten nach wie vor, im polemischsten und diffamierendsten Sinne,
„die Kommunisten“: Wenn man also geglaubt hat, durch die Änderung
des Parteinamens Wähler „in der Mitte“ zu gewinnen, so hat man sich
allen Anscheins nach getäuscht. Und auch die Rechte wird nicht weniger
bissig und polemisch sein, wenn es darum geht, die Linksdemokraten zu denunzieren.
Ist es aber ebenso fraglich,
ob sich die Suche nach Koalitionspartnern, unabhängig davon, ob sich
mit ihnen progressive, den Menschen in ihrer großen Mehrheit nützende
Ziele verfolgen und entsprechende Gesetze verabschieden lassen, ausgezahlt
hat? Ich vermute, es ist nicht fraglich. Es ist klar, dass solche Allianzen,
deren Worte und Taten die Mehrheit der linken Wähler bitter enttäuschten,
sich nicht „auszahlen“. Sie sind kontraproduktiv.
Check...:http://www.democracynow.org/2011/2/17/democracy_uprising_in_the_usa_noam
Check: http://www.democracynow.org/2011/2/17/democracy_uprising_in_the_usa_noam
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http://weekly.ahram.org.eg
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"The
Arab Spring and the crisis of the elite"
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Azouz, Egypt govt mulls
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Ahmad
Fouad Najem, "Forbidden"
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Tom
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Not in our name
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DISARM NOW
disarm now
"Former
US Attorney General Testifies for Plowshares Activists"
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Justice with Peace
(United for Justice with Peace
Coalition)
www.justicewithpeace.org
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Support Julian Assange
www.support-julian-assange.com
Forum Social Mundial
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Retos anticapitalistas
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