Hannes Rodenstein / Lisa Gosch

Die Demokratiebewegung in Südwest-Deutschland
und die Parteien

Schon einmal in der deutschen Geschichte, 1848, war Deutschlands Südwesten ein Zentrum der Demokratiebewegung. Der Einfluss Frankreichs, wo 1789 die Republik ausgerufen worden war, wo es nach einer Phase antidemokratischer Reaktion bereits 1830/31 und 1848 erneut zu revolutionären Erhebungen des Volkes kam, machte sich bemerkbar.  Freiheitlich denkende Geister fanden sich seit dem  Ende des 18. Jahrhunderts mehr als anderswo in Deutschland – vielleicht mit Ausnahme von Weimar – im Raum zwischen Mainz, Heidelberg, Tübingen, Freiburg und Basel, vielleicht sogar in der Höhle des Löwen, der Residenzstadt Stuttgart.  Früh schon zählte Schiller zu ihnen. Dann Georg Forster, der Naturwissenschaftler, Gelehrte, Demokrat und Weltumsegler, der Kontakt hielt zu anderen Mainzer Jakobinern und der   1794 in Paris starb. Zeitweise Hegel (gest.1831). Vor allem aber Hölderlin (gest. 1843).   Büchner, der Verfasser des „Hessischen Landboten“ (1834 veröffentlicht) war letztlich, soziokulturell betrachtet, auch ein Südwestdeutscher. Wie Hölderlin, der gut 40 Jahre eher geborene, der ihn aber überlebte, war er von Frankreich und seinen Idealen der Freiheit und Gleichheit und Brüderlichkeit beeinflusst. Er starb, in Deutschland verfolgt, in der Schweiz. Marx, interessanterweise, kam aus Trier – nahe an Frankreich gelegen, auch nicht weit entfernt von Mainz, der rebellischen Stadt. Und Engels aus Elberfeld, wohin der französische Einfluss ebenfalls reichte. Aber auch – dank der Geschäftsbeziehungen der Familie – der liberale englische. 

Nicht mehr dem Südwesten zuzurechnen, doch erst recht nicht dem sie 1814/15 besetzenden und dann annektierenden Preußen, waren Aachen und Köln in der napoleonischen Zeit französische Städte gewesen, ebenso wie Mainz, die Jakobiner-Hochburg. Der freche aufmüpfige, eigensinnige Geist der Anhänger der Freiheit und der Republik fand auch hier Anklang. Und als die deutsche Revolution ihren letzten Kampf gegen die preußische Armee focht, war ein Rheinländer, Engels, unter ihren Mitkämpfern – in Baden.

Was in jüngster Zeit erneut einer Demokratiebewegung im Südwesten Deutschlands Auftrieb gab, ist nicht Frankreich, jenes Land, wo heute ein französischer Berlusconi, Monsieur Sarkozy, die Mehrheit der Abgeordneten im Parlament hinter sich weiß. Die allerdings, das muss man wohl hinzufügen,  nicht von einer Mehrheit (also von über 50%) der Wahlberechtigten gewählt wurden. Dazu ist auch in Frankreich, wie bei uns, die Wahlbeteiligung längst zu gering und es ist absehbar, dass er und seine Parteifreunde bei den letzten und vorletzten nationalen Wahlen nicht so triumphiert hätten, hätte die französische, gezähmte, um nicht zu sagen, von der Rechten fast ununterscheidbar gewordene  Sozialdemokratie ihre Wähler nicht zuvor, auf Deutsch gesagt, an der Nase herumgeführt. Und zwar so sehr, dass viele am Wahltag zuhause bleiben. 

Nein, nicht Frankreich inspirierte dieses Mal die südwestdeutschen Bürger, die auf die Straße gingen, die verlangen, gehört zu werden und mitzuentscheiden, ja letztlich fordern, dass die Bürger – alle! – und nicht die Parteien das letzte Wort haben müssen, wenn es um die öffentliche Sache, also öffentliche Angelegenheiten wie derzeit den Stuttgarter Stadtumbau und das damit in direktem Zusammenhang stehende Tiefbahnhofprojekt geht. 

Es ist – wie so oft – der konkreter Anlass, der die einfachen Leute auf die Straße treibt, um ihren Willen und vor allem ihren Protest kundzutun. Der Mangel an Demokratie, die Defizite, das Über-den-Tisch-Gezogen-Werden und die Tricksereien der etablierten Politiker – sie sind es, an denen der Widerstand sich entzündete und weiterentzündet. Ein Widerstand, man möchte darauf wetten, der wachsen wird, je mehr die Politiker, die sich in Berlin und anderswo an den Hebeln der Macht glauben, tricksen, drohen und lügen. Ja, um so mehr, je mehr jede wache und selbständig denkende Bürgerin, jeder aufgeklärte Bürger das Spiel der am Gängelband des business und der politischen Klasse befindlichen öffentlichen und privaten Medien durchschaut: dieses gereizte „Berichten“, das bis zum  wütenden Gekeife gehen kann; diese Unterschlagung und Verdrehung von Fakten; diese schlimme Stimmungsmache, während sie die Trickser mit Samthandschuhen anfassen. Ihnen nach dem Munde reden. Inzwischen auch voreilig einen Sieg bejubeln, der Verschaukler, die nicht aufgeben wollen. Natürlich gibt es auch kritische Journalisten, aber man scheut sich, sie beim  Namen zu nennen. Vor allem wohl, weil die Angst berechtigt erscheint, ihnen damit beruflich zu schaden. Nein, die gepriesene Ausgewogenheit gibt es auch in den öffentlich-rechtlichen Medien nicht; was wir bemerken, ist die dominante Tendenz, die sich an  Wünschen und Vorgaben zu orientieren scheint. Doch an welchen, wenn nicht denen des business und der mit ihm unter einer Decke steckenden „großen“ politischen Macher? So hätten wir letztlich wohl auch bei uns jene unheilige Dreifaltigkeit, die gerade in Großbritannien und den USA so unbarmherzig sich selbst entlarvt. Dort bestachen die Business-Leute, denen die größten Blätter gehören, die das Geschäft der fernsehgesteuerten Massenverblödung betreiben, das Führungspersonal von Scotland Yard, also der Polizei. Sie gingen bei sozialdemokratischen und konservativen Ministerpräsidenten in altbewährter Kumpanei ein und aus. Sie sind nichts anderes als – alle drei, Polizei, Politik, Presse und Fernsehen – Totengräber des Vertrauens der Bevölkerung in die Demokratie, wie sie existiert. Sie erfinden für friedliche Bürgerbewegte – alle drei – den diffamierenden Begriff Wutbürger. Wir aber hören die Sprecherin des BUND im Gespräch mit den Medien-Angestellten; ach, wie ruhig und sachlich sie ist, denkt man da. Und wie verärgert die Gesprächspartnerin. Dasselbe, als man den Sprecher der Parkschützer interviewt: ihn,  den Sprecher der vielen. Über 150.000 waren es ja, immerhin, die auf der bislang größten Demonstration gegen das Wahnsinnsprojekt  „Stuttgart 21“ auf die Straße gingen.  Sie seien Wutbürger, seien irrational, wer glaubt das denn von den Friedlichen, um Schutz Bemühten? Denn auch darum geht es doch, um Bewahrung des Lebens statt um Profit: um Schutz und Bewahrung des zweihundert Jahre alten, riesengroßen innenstädtischen Stuttgarter Schlossparks mit seinem wunderschönen Baumbestand, den uralten Bäumen, der grünen Lunge Stuttgarts, der wichtigen Frischluftschneise der Innenstadt, welche die Spekulanten und Politiker weghaben wollen um des Geschäfts willen. Auch Heiner Geißler, übrigens, dieses alte Schlitzohr von „Vermittler“, das hinterher sagt, er sei immer schon für S-21, das verdammte Projekt gewesen. Wieso, Leserin, wieso, Leser, nennen sie Dich jetzt  Wutbürger, wenn Du Dich engagierst – nachdem man in den Medien zuvor jahrelang ein mangelndes Engagement der Bürger beklagte? Wie würden es die Polizisten – und es gibt wohl viele darunter, die sich missbraucht wissen, die nicht gern an solchen „Einsätzen“ gegen ihresgleichen, gegen normale Bürger, gegen kleine Leute wie sie selbst es sind, teilnehmen – wie würden sie es wohl empfinden, nennte man denn alle Polizisten im Land „Prügelpolizisten“? Und was wäre, würden wir die Politiker nur noch „Demokratievernichter“ und  „Demokratiezerstörer“ nennen? Kein schönes Wort für sie, obwohl manchmal und im Hinblick auf manche unter ihnen der Begriff keine Verleumdung darzustellen scheint? Herr, vergibt ihnen, sagt dann vielleicht einer unter uns, vergibt ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun. Oder auch: ihre Politik destabilisiert und untergräbt das Gemeinwohl und die Demokratie. 

Das taten übrigens schon die Hartz IV Kontra-Reformen, nicht erst die Machenschaften zum Wohle derer, die in Stuttgart auf das große Geschäft mit dem  innenstädtischen Boden, mit dem Terrain der feiwerdenden Gleisanlagen – kommt der Bahnhof erst einmal unter die Erde – und mit dem Gelände des großen, um der Spekulation willen zu vernichtenden Parks setzen. 

Ja, und die Journalisten – sie alle wenigstens, die mit dem Begriff „Wutbürger“ schamlos hausieren gehen, die uns damit wieder und wieder attackieren, die uns mit diesem Unwort bewerfen, als seien wir  nichts als unreflektierte Störenfriede,  die man frech demütigen und beleidigen darf, gefiele es ihnen wohl, würden wir es wagen, sie  „Lohnschreiber“, „gekaufte Schreiberlinge“, um ihren Job zitternde Diener der „Macht“ nennen und andeuten, sie seien letztlich  bloß „Medienhuren“ des business und der politischen Klasse?

Wenn es heute eine Demokratiebewegung im Südwesten gibt, die deutlich mehr und bessere Teilhabe der Bürger an Entscheidungsprozessen fordert – und das heißt, weniger gegängelte, also nicht ganz bewusst  von der politischen Klasse zugunsten ihrer „Parteienherrschaft“  eingeschränkte Möglichkeiten der Bürger, direkt über Dinge von Bedeutung zu entscheiden – ,  fordert, dann solcher Erfahrungen wegen.  . 

Wir wollen realere Demokratie. Wir wissen, sie ist notwendig. Um der Beendigung der Lüge willen, das Volk sei in diesem Land der Souverän, wo es doch den Regierenden nur als zu prügelnder Ochse, zu melkende Kuh, als ein für dumm verkaufbarer Esel gilt. 

Wir wollen den nachhaltigen Umgangs mit den natürlichen Ressourcen, und das projektierte „Wassermanagement“ sowie der vorgesehene Umgang mit dem Schlosspark, im Fall Stuttgart spricht dem Hohn.

Wir wollen, dass alle Bürger – und nicht business Leute und Politiker in Hinterzimmern, unbeobachtet und fernab jeder demokratischen Öffentlichkeit – über die Veränderungen (und es sollten Verbesserungen, für die vielen Bewohner, nicht Vorteile für zum Teil Ortsfremde sein)  - in ihrer Stadt entscheiden. Was ablief und abläuft, ist zwar durch Partei-Mächtige und für dumm verkaufte Abgeordnete in Parlamenten zum Teil „abgesegnet“ – aber wer fragte die vielen Bürger, die es betrifft, die unter den anvisierten Maßnahmen leiden würden? Ist parlamentarische Politik notwendig Politik gegen die Bevölkerung, zugunsten von  business und Partei-Granden? Dann macht sie sich selbst verdächtig, um  nicht zu sagen, überflüssig – und mehr und mehr Bürger werden noch mehr partizipative Demokratie, noch mehr real wirksame Formen der Bürgerdebatte, der in der Zivilgesellschaft breit verankerten Deliberation, und der Parlamentsbeschlüsse gegebenenfalls auch außer Kraft setzenden Bürgerentscheidung fordern. 
Macht euch also keine Illusionen, Politiker aller Parteien, mit Einschluss der Grünen: Es ist wegen der Knüppel, welche eine mit dem business zu eng liierte Politik dem sich entfaltenden Bürgerprotest gegen Stuttgart 21 seit vielen Jahren zwischen die Beine warf, während die überregionale Presse alles weitgehend ignoriert hat, statt ihrer aufklärerischen Rolle zu genügen, dass sich der Protest gegen zwei oder drei Dinge (der Park, der Dreck und die Abgase der Baufahrzeuge, die Kosten, die Unnötigkeit des ganzen Projekts) in eine Bewegung verwandelte, die der CDU/FDP- Regierung ihr antidemokratisches Vorgehen bescheinigte, und die heute vor allem mehr direkte demokratische Beteiligungsrechte für die Bürger fordert.

Auch die Justiz gerät längst schon ins Zwielicht. Wie sehr, fragen viele, handelte es sich hier und heute, nicht nur in den USA, in England, in China, in Russland, sondern auch bei uns um eine von den politisch und wirtschaftlich Mächtigen beeinflusste Justiz, die den Oberen, den vermeintlichen Eliten oft in vorauseilendem Eifer zu willen ist? Hat nicht auch die Justiz,  von den Parteien und der Regierung anscheinend mehr beeinflusst als ihrer behaupteten Unabhängigkeit gut tut, dem Kampf der Bürger der Region Stuttgart für ihre demokratischen Beteiligungsrechte Steine in den Weg zu legen versucht? Und ist nicht mehr noch, dieser Voreingenommenheit, von vielen, wenn auch nicht allen Richtern, zu erwarten?  Man muss fragen, und die Menschen an der Basis fragen es sich, wie man dieses Zusammenspiel  von Macht und angeblichem Recht zerbricht. Wie man den Einfluss der Parteien auf die Benennung, zum Beispiel der Richter des Verfassungsgerichts, ebenso wie auf die Auswahl der Intendanten der Sendeanstalten reduziert. Die Revolution von 1848 forderte die direkte Wahl der Richter durch das Volk, durch die einfachen Bürger. Eine Demokratiebewegung, die anschwillt, wie sie es fraglos tun muss und kann, wird diese Forderung nach direkter Wahl vertreten. Man muss das zur Debatte stellen und der Souverän, das Volk, muss darüber entscheiden.

Der jahrelange Kampf Stuttgarter Bürger sowie von Bürgern aus der Region, von dem hier die Rede ist, ist nicht zuende; er geht weiter. Er war und ist ein Kampf gegen ein – wie üblich, wie immer in solchen Fällen – rein spekulationsgetriebenes urbanistisches Projekt, das Partikularinteressen dient, in das aber auf ersichtlich bedenkliche Art Politiker und die Deutsche Bahn AG verwickelt sind. Was dem Ganzen allerdings nicht den Anschein, es gehe um öffentliche Belange, zu geben vermag. Im Gegenteil: es enthüllt die Parteilichkeit der Politik und ihre Verfilzung mit dem business, kurz, es enthüllt das, was nicht sein soll und gegen das sich jeder demokratisch gesinnte Bürger sträubt. 

Die Parteien, die – da in den Jahren, in denen die Auseinandersetzung zwischen Politik und business auf der einen, Bürgern auf der anderen Seite sich zuspitzte – an der Regierung waren, haben inzwischen die verdiente Quittung gekriegt; die alte Regierung wurde mit Pauken und Trompeten aus dem Amt gejagt. 

Doch ihre Presse triumphiert schon wieder. Die Medien versuchen, zwischen den Koalitionspartnern der neuen Regierung, die ihren überraschend großen Stimmenzuwachs der Demokratiebewegung und damit den auf vielfältige Weise – auf der Straße und in den Wahlkabinen – protestierenden Massen verdankt, Zwietracht zu säen. 

Wie werden die Parteien, auf welche die Anhänger der Demokratiebewegung bei den letzten Wahlen gesetzt haben, reagieren? Lassen sie sich auseinander dividieren? Und wenn ja, welche Quittung werden sie dafür erhalten? 

Die SPD in Baden-Württemberg hat heute die Chance, mit den Grünen im Land wirklich etwas zu ändern in Richtung auf eine vermehrte Bürgerbeteiligung, eine Demokratisierung.  Sie kann auch ihre neoliberalen Positionen überdenken und korrigieren, ihre „Industrienähe“ bzw. Nähe zu großen Konzernen kritisch reflektieren und da etwas ändern. Spenden großer Spender, vor allem, wenn sie von Seiten der „Wirtschaft“ allen potentiell als Regierungsparteien gesehenen Parteien (CDU, FDP, SPD) zufließen, sind immer verdächtig. So wehrt man dem Mitgliederschwund nicht. So wird das Misstrauen der meisten Bürger in die Politik weiter Auftrieb erhalten. Und man muß wohl sagen, zurecht. Wie wäre es also mit mehr innerparteilicher Demokratie, liebe SPD-Genossen? Und mit einer neuen Führungsmannschaft auf Bundesebene? Und mit mehr Fairness und Loyalität mit dem Regierungs-Partner, mit den Grünen? Wettet ihr darauf, dass sie mit ihrem Widerstand gegen Stuttgart 21 scheitern oder gar darauf, dass die Koalition platzt, so wird die Bevölkerung wissen, wem sie das – außer der Opposition im Landtag und den Medien – zu verdanken hat. Wir versprechen euch: wir werden jeden einzelnen SPD-Kandidaten bei der nächsten Wahl daraufhin prüfen, wie er sich in dieser entscheidenden Frage verhalten hat. Es wird eine Quittung geben. Und wenn die Grünen standfest bleiben, werden nicht sie es sein, die die Quittung bekommen.

Es geht aber – das sei allen, auch der Opposition im Landtag, auch der SPD, den Grünen und den nicht im Landtag vertretenen Linken gesagt – der Demokratiebewegung im Südwesten und in der Republik nicht nur um Demokratisierung. Es geht ebenso und untrennbar davon um das „Wozu“ der Demokratisierung. 

Warum also ist das demokratische Gehörfinden der Bevölkerung so wichtig? Ist es ein formales Spiel? Nein, es ist elementar. Es ist ein Grundrecht der Bürger und ein ernstes Anliegen, wenn sie verlangen, dass die Demokratie keine Farce sein soll. Dass sie nicht alle vier Jahre ihre Stimme abgeben wollen, um danach stimmlos, stumm, ungehört zu sein. Vier Jahre lang. 

Doch Gehör finden wollen bedeutet doch, dass man Anliegen hat. Probleme. Beschwerden. Das ungehört und unbeachtet blieb, worum es so vielen Menschen, die sich Gedanken um die öffentliche Sache machen, ging und geht und weiter gehen wird, wenn die Ohren der politischen Klasse „auf Durchzug gestellt“ bleiben.
 

Es ist wichtig, dass die Bevölkerung Gehör findet und direkt entscheiden kann, wenn die politische Klasse in ihrer Mehrzahl bremst und schläft. Im Bett mit der Industrie und den Banken, sperrt sie sich de facto gegen die zügige und umfassende Berücksichtigung ökologischer Notwendigkeiten. Die CDU, FDP, auch die SPD  in ihrer jetzigen Façon allemal. Und die Grünen? Sie sind leichtgläubige Anbeter ihrer naiven, über den Markt eine Steuerung versuchenden Strategien.  Und die Linke? Wie die Gewerkschaften, vor allem die IG Bergbau / Chemie / Energie, neigen sie dazu, Wachstumsfetischisten zu sein. Auch ihnen dürfte zum Beispiel der von dem grünen Spitzenpolitiker in Baden-Württemberg anvisierte Umbau des industriellen Sektors, vor allem der im „Ländle“ bislang so wichtigen Autoindustrie, nicht ganz geheuer sein. 

Also, alle müssen sich bewegen. Vor allem – wenn man auf ein anti-konservatives Bündnis setzt, die SPD. Wir ahnen, gerade sie, die SPD, vertreten durch angeblich realistische „Macher“ an der Spitze, wird sich nicht gern anlegen mit den einflussreichen Eignern von Daimler-Benz, Porsche, VW, usw. 

Genossen, ändert das. Die Bevölkerung wacht auf; tut es auch!

Auch um den Umbau, vor allem die Dezentralisierung, im Energiesektor, geht es den Menschen im Lande, die begriffen haben, was rational im Interesse der Zukunft der kommenden Generation (und der kommenden Generationen) statt im Interesse kurzfristiger Gewinnstrategien der wirtschaftlich Mächtigen getan werden muss. 

Auch hier, fürchten wir, könnte die SPD auf Grund ihrer – von uns aus gutem Grund vermuteten –  Nähe zu EON, RWE, Vattenfall usw. „bremsen.“ 

Tut das nicht, liebe Genossen. Verratet uns nicht, lasst uns nicht im Stich. Wählt nicht kurzsichtig die Allianz mit den wirtschaftlich Mächtigen, Genossen. Verbündet euch mit uns, der Bevölkerung, dem „Volk“, das wach wird und Mut fasst und Vertrauen hat in seine Fähigkeiten.

Nicht zuletzt geht es der Bevölkerung auch um Soziales, um Sozialpolitik, um den Sozialstaat. Das sei hier allen gesagt, vor allem wieder den Freunden in der SPD und ebenso bei den Grünen, den beiden Parteien, die heut im Ländle an der Regierung sind und wo wir, das ist wahr, immer noch wichtige Bündnispartner erhoffen. Es geht es um ein weit realeres Ernstnehmen des Bedürfnisses der Bevölkerung nach sozialer Gerechtigkeit als es bislang bei irgendeiner Partei, auch bei der Partei Die Linke, zu verzeichnen ist. 

Wir haben das gewiss nicht vergessen: Sowohl GRÜNE wie SPD haben die Hartz IV Kontra-Reformen mitgetragen. Die CDU war ohnehin mit im Boot: bereit, dem Kanzler Schröder zum Abstimmungssieg zu verhelfen, falls der leicht links-rosa eingefärbte Flügel der SPD sich verweigern hätte. 

Ach, ihr müsst Mut haben, Freunde. 
Zum Ziel der sozialen Gerechtigkeit nicht länger nur Amen sagen, so wie es Schafe bei der Sonntagspredigt tun. Und dann alles beim Alten belassen, das geht nicht. Das bringt euch nur weiteren Mitgliederschwund und weitere Wahldebakel ein. 

Vor allem, liebe SPD-Genossen und auch ihr, liebe Grüne, lasst dieses kleinliche Konkurrenzgebaren gegenüber der Linken. Keine Partei ist astrein, das wissen wir Bürger. Und wenn ihr es, auf die Linke deutend, ausposaunt, wissen wir, welche Gerangel um Sitze im Parlament und um Diäten dahinter steckt. Und ahnen durchaus, dass ihr nicht demokratischer seid, in euren „Läden“, als irgendeine PDS nach der Wende, die ihr so gern kritisiert. 

Also sagen wir allen: Freunde, bessert euch, verändert euch, zeigt nicht mit dem Finger auf andere. Vergesst nicht, wo die wirklichen Gegner der Demokratisierung, der ökologischen Nachhaltigkeit und der sozialen Gerechtigkeit sitzen: in den Konzernzentralen, in den Parteien der besonderen Unternehmer-Nähe, und natürlich auch – leider noch vielfach – in Parteivorständen von Parteien, deren Nähe wir suchen.  Ihr enttäuscht das einfache Volk nicht mehr zahllose Male, der Becher ist schon mit Galle randvoll, er ist am Überlaufen. Wir trinken nicht mehr davon. Enttäuscht ihr uns, seid ihr es, die davon trinken müsstet in großen Zügen.

Bündnispartner, Bündnisfreunde, die ihr uns sein sollt, seid einig, steht einig zu uns, im Kampf für gesenkte Hürden der Bürgerbeteiligung, im Kampf gegen die Spekulation in Stuttgart und die Milliardenvergeudung, das vermessene Projekt auch der Bahn. Wir, das erwachte „Volk“, wir brauchen EUCH immerhin jetzt, brauchen die SPD, die Grünen im Ländle: im Ländle an der Regierung, das sollt ihr auch bleiben. 

Doch Verbündete könnt ihr nur bleiben, wenn ihr den Schulterschluss sucht mit dem einfachen „Volk“, der wachen Bevölkerung. 

Das heißt auch: lasst ab von Sticheleien nach „links“. Die Linke ist ja nicht links, sie ist nur rosa. Sie ist – reden wir doch Tacheles – die einzige derzeit verbliebene, genuin sozialdemokratische Partei in Deutschland. Vor allem, nachdem sie ihre kleinen linken (orthodoxen und unorthodoxen) Flügel mehr oder weniger marginalisiert hat. Wäre es nicht ratsam, Freunde in der SPD,  sich die echt sozialdemokratischen sozial- und friedenspolitischen Positionen der Linken einmal genauer anzusehen? Zum Beispiel, um festzustellen, was davon Positionen von Schumacher, von Ollenhauer, auch von Willy Brandt sind? Positionen, welche eine seit Jahren nach rechts abgedriftete SPD aus einem – übrigens fehlerhaften – macchiavellistischen Machtkalkül, also ohne einen zwingenden Grund, Schritt für Schritt aufgab... 
 

Es steht euch ja frei, so oder so zu denken und zu handeln, Freunde, Noch-Bündnispartner. Ihr sollt aber dieses wissen und bedenken: Heute interessiert man sich in der Demokratiebewegung im Ländle herzlich wenig um eure Grabenkämpfe, all das kleinliche Politik-Hickhack zwischen SPD und Grünen, SPD und der LINKEN, zwischen GRÜNEN und Linken  usw., das so sehr die faire, sachliche Auseinandersetzung, die gemeinsame Suche nach Antworten auf die Krise der Gesellschaft, die der Ökonomie und jene andere, des Ökosystems unsres Planeten ersetzt.

Die Menschen im Land, die sich von der Politik bevormundet, überrollt und im Stich gelassen fühlen, wollen nicht die Konkurrenz der Karrieristen in den Parteien, die nur ihre Macht, ihren Einfluss, ihre Wiederwahl und ihre Diäten im Sinn haben. Sie haben nicht die Debatten an sich, sie haben ihre Verbiegung, ihre Verkümmerung zum Gezänk satt. Und sie setzen vielmehr als die meisten in den genannten drei Parteien auf die Einheit – eine notwendige, eine nicht verzichtbare, wenn es gute Veränderung, Veränderung zum Besseren geben soll. Auch gegen die anti-ökologischen und antidemokratischen und anti-sozialen Kräfte in diesem Land. Die Menschen, die auf die Strasse gingen, haben den starken Widerstand der konservativen Kräfte, also von CDU- und FDP-Politikern gegen ihre Forderungen gespürt. Und sie wissen, dass sie auch in der SPD und vielleicht sogar bei den Linken und Grünen nicht nur Verbündete, sondern auch Gegner haben. 

Diese Gegner der Partizipation der Basis, sagen sie der SPD-Führung, sagen sie der Führung der Grünen, sagen sie auch der Parteiführung der Linken, die werden wir an den Pranger stellen. Die werden wir namentlich benennen. Gegen die werden wir namentlich, in jedem Wahlkreis ( und was die Listenplätze angeht, auch !) die Menschen aufrütteln, informieren, mobilisieren. 

Ihr habt es in der Hand, Schaden von Euren Parteien abzuwenden. Isoliert die Neo-Liberalen, Entmachtet die in euren Parteien, die der tatsächlichen Partizipation der Vielen sich widersetzen, indem sie etwa höhere Hürden für Bürgerbegehren durchsetzen, indem sie den Kreis der Betroffenen, die ein solches Bürgerbegehren suchen, unzulässig um den viel weiteren Kreis nicht Betroffener erweitern, so wie in Stuttgart, wo die Region Stuttgart von S-21 betroffen ist, mehr als der Rest des Ländles.

Die SPD hat heute, zusammen mit den Grünen im Ländle an die Regierung gelangt, die Chance, alte Fehler gut zu machen. Auf der Seite des „Volks“ zu stehen. Ihr könnt sie nutzen. Ihr könnt sie vermasseln. Zeigt uns also durch Taten, wo ihr steht. Fallt uns nicht in den Rücken. Fallt auch den Grünen nicht in den Rücken. Erpresst sie nicht.

Ja, Freunde, entscheidet Euch. Wendet euch ab, wenn ihr wollt und kassiert die Quittung. Oder sucht den Schulterschluss: das Bündnis mit uns, der Demokratiebewegung. Das Bündnis mit der wachgewordenen, protestierenden Bevölkerung. Die nächsten Wahlen kommen. Vorher, wer weiß, ein heißer Herbst, eine wirkliche Mobilisierung. Seid sicher, was ihr auch macht, der Widerstand wird entschiedener werden. Und die Menschen im Ländle, im so lange schon eigensinnigen und –  wenn es Not tut –  auf demokratischen Rechten bestehenden Südwesten, sie werden zeigen, dass sie nicht so schnell vergessen, wie manche behaupten. 
 
 

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Tito Drago,"'Indignant' 
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of Crisis" (IPS news net, July 30, 2011) 

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Tito Drago, "Spain: Streets Paved 
with Evicted Families" (IPS, Oct.7, 2011)

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(Oct.19-20,2011)

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(Z Communications, Sept.2011)
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Mohamed Azouz, Egypt govt mulls 
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Kucinich, Speech before U.S. Congress, March 31, 2011
(The Nation; April 4, 2011)

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